Mit dem digitalen Netzzwilling den Netzausbau kosteneffizient planen

08.05.2024 PerspectivE
Die EW Höfe AG setzt beim Wandel zum Smart Grid auf Innovationen. Um den digitalen Netzzwilling wirksam einsetzen zu können, ist eine umfassende Datengrundlage notwendig.
Gastautor
Edi Knobel
Geschäftsleitungsmitglied und Bereichsleiter Netze, EW Höfe AG
Geschäftsleitungsmitglied und Bereichsleiter Netze, EW Höfe AG
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Der Bezirk Höfe im Kanton Schwyz ist eine Region, die wirtschaftlich stark wächst. Ebenso erhöht sich die Einwohnerzahl. So stieg der Stromverbrauch in den vergangenen Jahren kontinuierlich, und es ist mit einem weiteren starken Anstieg infolge Dekarbonisierung und Digitalisierung zu rechnen. Bis 2033 erwartet die in der Region ansässige EW Höfe in ihrem Versorgungsgebiet eine Verdoppelung der Anschlussleistung allein bei den Wärmepumpen, während bei der E-Mobilität sogar mit einer Verzehnfachung der Anschlussleistung im selben Zeitraum gerechnet werden muss. Der Ausbau von Photovoltaikanlagen wird zusätzlich eine dreimal höhere dezentrale Leistung generieren, die über das konventionelle Stromnetz effizient verteilt werden muss, wenn sie nicht von den Anlagenbetreiberinnen und -betreibern selbst verbraucht oder gespeichert wird.

Daten aus Smart Metern für die Errichtung des Smart Grids

Diesen wachsenden Anforderungen ans Stromnetz sehen sich alle Verteilnetzbetreiber ausgesetzt. Die grosse Herausforderung wird sein, wie sie mit den zu erwartenden hohen und unregelmässig anfallenden Lastflüssen umgehen. Der Netzausbau auf allen Spannungsebenen ist davon betroffen, was die Anpassung der Netze zu einer zentralen Aufgabe für alle Stromversorger macht. Angesichts der langen Bewilligungsverfahren, Projektierungs- und Bauzeiten und auch möglicher Lieferengpässe hat die EW Höfe sich schon frühzeitig damit befasst, die Netzplanung auf die kommenden Aufgaben auszurichten und den Ausbau zum Smart Grid zum strategischen Projekt gemacht. In die Hände spielt ihr dabei die gesetzliche Auflage des Bundes an alle Verteilnetzbetreiber, bis Ende 2027 mindestens 80 Prozent der Stromzähler durch Smart Meter zu ersetzen. Bis zum heutigen Zeitpunkt sind bereits über 70 Prozent der Stromzähler im Versorgungsgebiet der EW Höfe ausgewechselt. Die Energieversorgerin nutzt die Daten aus den Smart Metern zum einen für ihre Kundinnen und Kunden, die ihren Verbrauch im Kundenportal in Echtzeit einsehen können, zum anderen aber auch für die Implementierung des Smart Grids in ihrem Verteilnetz. 

Wichtige Entscheidungsgrundlage für Netzausbau

Die Daten aus den Smart Metern machen die Lastflüsse im eigenen Netz ersichtlich und helfen, das Stromverteilnetz besser zu verstehen und effizienter zu bewirtschaften. Mit dem künftigen Smart Grid strebt die EW Höfe eine intelligente Netzinfrastruktur im Bezirk an, in der Verbrauchs- und Produktionssteuerung optimal zusammenspielen. Damit soll eine überdurchschnittliche Versorgungssicherheit zu wettbewerbsfähigen Preisen gewährleistet sein. Die gewonnenen Daten dienen auch als Entscheidungsgrundlage für den Netzausbau, stellen Unterhalt, Um- und Ausbau des Netzes doch einen erheblichen Kostenfaktor dar. Dank der Daten kann in der Netzplanung berücksichtigt werden, wo genau ein Netzausbau wirklich notwendig ist und wo eine Verstärkung der Leitungen oder eine Optimierung der Lastflüsse ausreicht.

Die EW Höfe setzt beim Wandel zum Smart Grid auf Innovationen.

Dank Glasfaser Daten in Echtzeit

Die EW Höfe ist auch Telekomdienstleisterin und Betreiberin eines Glasfasernetzes. Die Erschliessung des Bezirks mit dem Höfner Glasfasernetz in den Jahren 2016 bis 2021 erwies sich für die Netzplanung als Glücksfall: Mit dem Beschluss, zusätzliche Glasfasern einzuziehen, setzte man den Grundstein für den Ausbau zum Smart Grid. Diese Glasfasern werden heute für die Kommunikation mit den Smart Metern und die Übermittlung der Lastgangdaten in Echtzeit genutzt, um datenbasierte Netzanalysen vorzunehmen. Über eine Software, die mit Mess- und Verbrauchsdaten gefüttert wurde, erstellten die Netzspezialisten der EW Höfe in den vergangenen Jahren ein digitales Spiegelbild ihres Stromverteilnetzes – den digitalen Netzzwilling. Seit Februar 2023 wird er für unterschiedliche Netzsimulationen eingesetzt. So lassen sich beispielsweise Lastflüsse im Verteilnetz detailliert darstellen. Anhand verschiedener Szenarien kann der künftige Leistungsbedarf realistisch abgeschätzt werden. 

Der Einsatz eines Netzzwillings ergänzt die traditionelle Netzplanung um datenbasierte Algorithmen. Netzbetreiber können damit ihre Stromnetze nahezu in Echtzeit visualisieren, simulieren und analysieren. So sind sie in der Lage, ihre Netzinfrastruktur besser zu verstehen, zu planen und zu betreiben. Die damit erreichte Effizienzsteigerung im Netzbetrieb reduziert Kosten bei der Planung, im Bewilligungsprozess von Anschlussgesuchen und auch im Betrieb und Unterhalt der Verteilnetzinfrastruktur. Mit dem geplanten Abschluss des Wechsels auf Smart Meter bis Ende 2025 wird der EW Höfe eine umfassende Datengrundlage vorliegen, die ihr Verteilnetz flächendeckend virtuell abbildet.

Dank Netzzwilling mehr Versorgungssicherheit

Das Smart-Grid-Projekt der EW Höfe basiert auf acht verschiedenen Handlungsfeldern und den drei Säulen NOVA (Netzoptimierung vor Netzverstärkung vor Netzausbau), preislichen Anreizen für ein netzdienliches Verhalten der Kundinnen und Kunden dank einer dynamischen Tarifstruktur und Versorgungssicherheit zu wettbewerbsfähigen Preisen. Dem NOVA-Prinzip kommt dabei besondere Beachtung zu: Das Stromverteilnetz kann nicht grenzenlos ausgebaut werden. Jegliche Investition in die Netzinfrastruktur schlägt sich auf den Strompreis nieder. In erster Linie müssen die Kapazitäten der bestehenden Leitungen intelligenter genutzt werden. Hohe Lastflüsse und insbesondere Lastspitzen sind auszugleichen, damit im saisonalen sowie im Tagesverlauf eine möglichst gleichmässige Belastung erzielt werden kann. Ist eine gute, umfassende Datengrundlage vorhanden, lassen sich mit dem Netzzwilling verschiedene Modelle äusserst realistisch durchspielen. Die Ergebnisse aus diesen Simulationen fliessen schliesslich in die Netzplanung und -steuerung ein. Damit leistet der digitale Netzzwilling einen grossen Beitrag zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit für die Stromkundinnen und -kunden im Bezirk Höfe.

Die Branche hat das Wort

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