Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen – am Beispiel der Windenergie im Kanton Neuenburg

14.11.2023
Nachdem das Parlament einen grossen Schritt zugunsten des Ausbaus der erneuerbaren Energien gemacht hat, müssen die Verfahren unverzüglich beschleunigt werden. Aber wie schafft man das in einem Bereich mit unterschiedlichen Interessen, die den Schweizer Föderalismus und sein Subsidiaritätsprinzip untergraben können? Der Kanton Neuenburg scheint beim Ausbau der Windkraft eine gute Lösung gefunden zu haben.

Wenn man aus der Energiekrise und der drohenden Energiemangellage im letzten Winter eine Lehre ziehen kann, dann wohl die, wie wertvoll die Energie im Allgemeinen und die Elektrizität im Besonderen sind. Die Stromversorgungssicherheit wurde zu einem wichtigen politischen Thema, das die Beratungen während der gesamten Behandlung des Mantelerlasses im Parlament umrahmte.

«Der Windexpress kann helfen, … den letzten Kilometer im Windkraftmarathon zu überspringen»

Isabelle Dougoud

Beim Ausbau der erneuerbaren Energien ist es mit diesem Schritt nach vorne endlich denkbar, die Energie- und Klimaziele der Schweiz zu erreichen. Jedoch unter einer Bedingung: Das Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien für die Winterproduktion muss erheblich gesteigert werden. Das Parlament sei sich der Dringlichkeit bewusst und habe Vorstösse wie den «Windexpress» angenommen, der das Bewilligungsverfahren um zwei Jahre verkürzen und helfen, «den letzten Kilometer des Windkraftmarathons für bestimmte Anlagen von nationalem Interesse zu überspringen», sobald die Grundsatzfragen geklärt seien, so Isabelle Dougoud, Rechtsberaterin bei der Groupe E SA.

Bild: Suisse Eole

Trotz der willkommenen Unterstützung durch den Windexpress stellt man fest: Die Realisierung eines Windparks dauert immer noch rund eine Generation. Aufgrund der Planungsverfahren von Bund und Kantonen, die etwa zehn Jahre in Anspruch nehmen, und dem zweistufigen Bewilligungsverfahren (Nutzungsplan und Baubewilligung), für das ungefähr 15 Jahre veranschlagt werden müssen, kann ein Windpark nach etwa 25 Jahren realistischerweise realisiert werden. Dank dem Windexpress sollen die betroffenen Projekte in der Endphase des Baubewilligungsverfahrens zwei Jahre «gewinnen». Die Dauer dieser Verfahren ist eindeutig nicht mit der Dringlichkeit der Stromversorgungssicherheit vereinbar. Zur Erinnerung: Die Europäische Union verlangt von ihren Mitgliedsstaaten, dass das Planungs- und Bewilligungsverfahren nicht länger als zwei Jahre dauern darf. Der Bundesrat ist sich der Notwendigkeit bewusst, das Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu steigern, und hat einen Gesetzesentwurf zur Beschleunigung der Verfahren vorgelegt.

Der Kanton Neuenburg scheint für die Beschleunigung der Verfahren eine gute Lösung gefunden zu haben

Für die Planung sollten die Kantone in ihren Richtplänen künftig «geeignete Gebiete» für den Bau von Anlagen von nationalem Interesse bezeichnen. Punkto Bewilligungen soll ein kantonales konzentriertes Plangenehmigungsverfahren eingeführt werden, das das Nutzungsplanverfahren und die Baubewilligung umfasst. Der Bundesrat sieht zudem vor, dass es nur noch ein einziges Beschwerdeverfahren geben soll, in dem alle Rechtsfragen geprüft werden. Wenn die Einhaltung des demokratischen Prozesses gewährleistet ist, soll das derzeitige Verfahren nicht mehr zum Zug kommen, bei dem jeder einzelne Schritt bis zum Bundesgericht angefochten werden kann. Klar ist, dass die Gemeinden in das kantonale konzentrierte Plangenehmigungsverfahren einbezogen werden müssen, aber zu welchem Zeitpunkt? Und wann und wie kann man die Bevölkerung überzeugen?

Der Kanton Neuenburg scheint für die Beschleunigung der Verfahren für die Windkraft eine gute Lösung gefunden zu haben. Aber wie sieht diese genau aus? 2011 hat der Kanton fünf Standorte für Windenergieanlagen in seinen kantonalen Richtplan aufgenommen, die eine Produktion von 200 bis 300 GWh/Jahr ermöglichen sollen. Eine Volksinitiative, die das Stimmvolk über die Frage der Windenergie im Allgemeinen abstimmen lassen wollte, führte zu einer kantonalen Volksabstimmung über die fünf ausgewählten Standorte für Windenergieanlagen sowie die maximale Anzahl Windräder pro Standort (Gegenentwurf zur Volksinitiative). Im Jahr 2014 legte die Bevölkerung zu 64 Prozent ein «Ja» in die Urne. Dieses Ergebnis legitimierte den Kanton und die zuständigen Gemeinderäte deutlich, das umzusetzen, was gemäss der Abstimmung schliesslich dem Volkswillen entsprach. Ausserdem sieht das 2019 geänderte kantonale Raumplanungsgesetz (LCAT) vor, dass der kantonale Nutzungsplan einer Baubewilligung gleichkommt.

«Die Zeitersparnis dürfte beträchtlich sein und den Entwicklern eine gewisse Sicherheit bieten»

Léonie Berset

Der kantonale Richtplan erwähnt daher für die ausgewählten Windparkzonen die fünf Standorte, denen das Neuenburger Stimmvolk zugestimmt hat, sowie die maximale Anzahl Windräder pro Standort. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies 7 Windräder für Crêt-Meuron, 10 für Mont-Perreux, 3 für Quatre Bornes, 20 für Montagne-de-Buttes und 18 für Mont-de-Boveresse. Interessant ist, dass drei dieser Projekte, die von der Groupe E Greenwatt SA geleitet werden, betroffen sind. Montagne-de-Buttes vom Windexpress und die anderen beiden Standorte Eole-de-Ruz auf dem Mont-Perreux und Quatre Bornes in La Joux-du-Plâne vom synchronisierten Verfahren (der kantonale Nutzungsplan gilt als Baubewilligung).

Schätzungen zufolge wird Montagne-de-Buttes bis 2025 die Baubewilligung erhalten. Für dieses Projekt liegt zwar kein kantonaler Nutzungsplan vor, der als Baubewilligung gilt, aber der Windexpress kommt dabei zum Zug. Das würde bedeuten, dass das Verfahren zehn Jahre dauert. Für die Windkraftanlagen Quatre Bornes und Mont-Perreux gibt es einen kantonalen Nutzungsplan, der als Baubewilligung gilt. Somit dürften die betreffenden Baubewilligungen nach fünf bis acht Jahren Verfahrensdauer vorliegen, d. h. 2025 respektive 2028. Léonie Berset, Geschäftsbeauftragte für neue erneuerbare Energien bei der Groupe E SA, betont, dass «die Zeitersparnis beträchtlich sein dürfte» und auch eine gewisse «Sicherheit für die Entwickler von Anlagen» gewährleistet sei.

Die Bevölkerung auf kantonaler Ebene von Anfang an ins Boot geholt zu haben, ist der Schlüssel zum Erfolg

Wenige Punkte waren für den erheblichen Gewinn an Zeit, Transparenz und Qualität bei der Entwicklung von Windenergieprojekten im Kanton Neuenburg entscheidend. Zunächst erstellt der Kanton den Nutzungsplan, der als Baubewilligung gilt und alle Elemente des endgültigen Projekts umfasst, wobei der Entwickler bei der Vorbereitung des Dossiers mitarbeitet. In einer Voruntersuchung wird ermittelt, welche Elemente des Dossiers ergänzt oder angepasst werden müssen. Anschliessend werden alle Unterlagen im Zusammenhang mit dem Nutzungsplan und der Baubewilligung als Einheit öffentlich aufgelegt. Der Kanton führt das Dossier und treibt es während des ganzen Verfahrens (bei dem er auch die Koordination mit anderen betroffenen Behörden sicherstellt) voran. Der zuständige Staatsrat, Laurent Favre, hat das Projekt Eole-de-Ruz an einer Informationsveranstaltung vor der Bevölkerung übrigens persönlich verteidigt.

Doch bei der Frage, was im Kanton Neuenburg effektiv den Unterschied ausmacht, sind sich die Beteiligten einig: Die Bevölkerung auf kantonaler Ebene von Anfang an ins Boot geholt zu haben, sei der Schlüssel zum Erfolg. In Anbetracht der Spannungen, die bestimmte Projekte für erneuerbare Energien in den Regionen auslösen können, scheint es sinnvoller und objektiver, die Unterstützung der Bevölkerung auf kantonaler Ebene einzuholen.

Denn schliesslich stehen die Kantone in der Pflicht, geeignete Rahmenbedingungen für die Versorgungssicherheit zu schaffen…