Windkraft im Kanton Neuenburg: Wenn ein koordiniertes Verfahren für Transparenz sorgt

14.11.2023
Beim derzeitigen Tempo bräuchte die Schweiz fast 100 Jahre, um ihre Energie- und Klimaziele für 2050 zu erreichen. Auf Bundesebene hat das Parlament einen grossen Schritt zugunsten des Ausbaus der erneuerbaren Energien gemacht. Nun muss nur noch das Tempo beschleunigt werden, um den Zeitplan einzuhalten. Und dafür braucht es schnellere Verfahren. Der Kanton Neuenburg scheint mit seiner Windkraftplanung auf dem richtigen Weg zu sein. Interview mit Laurent Favre, Staatsrat des Kantons Neuenburg, zuständig für das Departement für Raumentwicklung und Umwelt.

Laurent Favre, können Sie uns die Neuenburger Windkraftplanung in wenigen Worten zusammenfassen?

Die Windkraftplanung des Kantons Neuenburg lässt sich in fünf Schlüsselpunkte zusammenfassen. Erstens: Im Rahmen des Verfahrens, das zum Stopp des Standorts «Crêt-Meuron» führte, haben wir uns von den Interessen der Entwickler und der Landbesitzer distanziert. Es ging um die Durchführung von grundlegenden Untersuchungen für den ganzen Kanton, um festzustellen, welche Standorte sich für die Windenergieproduktion bei möglichst geringen Beeinträchtigungen der Landschaft am besten eigneten. Zweitens wurden die besten Standorte identifiziert und im Rahmen einer Positivplanung in den kantonalen Richtplan integriert. Drittens wurde ein indirekter Gegenvorschlag zu einer Initiative, der die Anzahl der Standorte und die Anzahl Turbinen in einem Gesetz verankert, angenommen. Viertens wurde der Kanton durch die Planung über kantonale Nutzungspläne zum politischen Träger des Planungsinstruments. Und fünftens wurde ein Planungsinstrument eingeführt, das als Baubewilligung gilt (2-in-1-Verfahren).

Was war Ihrer Meinung nach bei der Neuenburger Windkraftplanung der Schlüssel zum Erfolg?

Einerseits war es möglich, ein konsistentes Konzept zu schaffen, das im Richtplan zusammengefasst ist, als wir uns von Einzelinteressen distanziert haben. Da der Kanton die Pflicht hat, Energie zu produzieren und die Landschaft zu schützen, stehen andere Interessen hinten an. Andererseits half uns die Volksabstimmung zugunsten des Dossiers, nach der die Gegner nur noch Einzel- oder Privatinteressen vertreten können.

Erfahrungsgemäss schüren Windkraftprojekte Spannungen. War dies auch in Neuenburg der Fall?

Der Kanton Neuenburg ist sich des Wertes seiner Landschaft seit Langem bewusst. Fast fünfzehn Jahre vor Inkrafttreten des RPG im Jahr 1980 erliess er bereits ein Dekret, das Bergkämme und Seeufer vor der Urbanisierung schützte. Dass nun Windturbinen in unserer Landschaft errichtet werden sollten, stellte das kollektive Bewusstsein für die Qualität unserer Landschaft, das in diesem grundlegenden Erlass konkretisiert wurde, infrage. Der vorgeschlagene Planungsprozess für die Windkraft sollte uns die Möglichkeit geben, beide Interessen zu vereinen: Landschaft und Energieproduktion. Dank der Qualität von Prozess, grundlegenden Untersuchungen und Richtplan blieben die Spannungen auf einem akzeptablen Niveau.

Untergräbt Ihrer Meinung nach ein koordiniertes Verfahren die demokratischen Prozesse, insbesondere hinsichtlich des Beschwerderechts?

Keineswegs, ein koordiniertes Verfahren, das sowohl die Planung als auch das konkrete Objekt betrifft, ist viel transparenter. Dritte können in Kenntnis der Sachlage Stellung nehmen. Wer das Gegenteil behauptet, will bloss Zeit gewinnen oder die Projektträger mit zwei aufeinanderfolgenden Verfahren belasten.

Und wie haben die Neuenburger Gemeinden diese neue Realität aufgenommen?

Das Planungsdossier wird hauptsächlich deshalb vom Kanton übernommen, weil es von kantonalem Interesse ist – subsidiär aber auch wegen seiner Komplexität. Da es sich um eine Ad-hoc- und Detailplanung handelt, liess diese im Rahmen einer Baubewilligung wenig Spielraum. Die Gemeinden verlieren eine Entscheidungsmöglichkeit, die jedoch nur formal ist, müssen sich aber nicht mehr um diese sehr komplexen Dossiers kümmern. Da sich die Neuenburger Bevölkerung mit über 60 Prozent für das kantonale Windkraftkonzept ausgesprochen hatte, und zwar in allen Gemeinden, bereitete diese neue Realität allerdings keine politischen Schwierigkeiten.

Und Sie als zuständiger Staatsrat, haben Sie im Rahmen dieser Windkraftplanung das Gefühl, mit einer besonderen Aufgabe betraut zu sein?

Seit Langem plädiere ich für eine Stärkung der einheimischen, CO2-armen Energieproduktion im Winter. Die Umsetzung der Projekte im Rahmen des Windkraftkonzepts entspricht voll und ganz diesen strategischen Zielen für die Energieversorgung des Landes und liegt mir daher sehr am Herzen.