Nach dem Strom das Netz

02.07.2024
Nach dem überwältigenden JA zum Stromgesetz geht es jetzt an die Umsetzung. Der Ausbau der erneuerbaren Energien kann nun zügig vorangetrieben werden. Soweit die Theorie.

In der Praxis bleibt vorderhand abzuwarten, ob die von fast 70% der Bevölkerung getragene Vorwärtsstrategie auch bei jedem einzelnen Projekt verfängt, oder grössere Vorhaben weiterhin bis aufs Letzte bekämpft werden. 

Auf dem Weg in eine sichere Versorgung mit erneuerbaren Energien gibt es allerdings noch einen weiteren Flaschenhals: Das Stromnetz.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien kann nur dann seine Wirkung entfalten, wenn zeitgleich auch die nötigen Netze bereitgestellt werden können.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien kann nämlich nur dann seine Wirkung entfalten, wenn zeitgleich auch die nötigen Netze bereitgestellt werden können, damit der produzierte Strom auch eingespiesen, abtransportiert und verteilt werden kann. Doch die Netze stehen vor riesigen Herausforderungen. Drei davon müssen zeitnah gelöst werden:

  • Damit die rund 50’000 neuen Photovoltaik-Anlagen pro Jahr angeschlossen werden können, braucht es meist eine Verstärkung des Verteilnetzes. Während PV-Anlagen teilweise bewilligungsfrei montiert werden können, braucht es für jede Änderung am Netz ein Bewilligungsverfahren, welches sich Monate hinziehen kann. Der kürzlich publizierte Vorschlag des Bundesrats für einen Netzbeschleunigungserlass ist daher eine gute Nachricht. Es muss aber sichergestellt werden, dass das höhere Tempo nicht nur auf Übertragungsebene, sondern auch in den Verästelungen des Verteilnetzes ankommt.
  • In der Zwischenzeit würde die Steuerung der Einspeisung und des Verbrauchs dazu beitragen, dass der Ausbau der dezentralen Produktion und die Verbreitung der Elektromobilität trotz limitierter Netzkapazitäten nicht zu stark gebremst werden. Dazu braucht es eine Netztarifierung, die bei den Kunden einen Anreiz setzt, den Anschluss und die Netznutzung zu optimieren. Der Bundesrat schlägt zwar neu mit drei Tarifmodellen eine Lockerung vor, er schnürt damit das Korsett jedoch weiterhin eng ein. Den regional unterschiedlichen Gegebenheiten kann so nicht genügend Rechnung getragen werden. In den Verordnungen zum Stromgesetz muss den Netzbetreibern der benötigte Spielraum eingeräumt werden.
  • Trotzdem wird kein Weg an einem bedeutenden Um- und Ausbau der Netze aller Ebenen vorbeiführen. Für diese Investitionen braucht es Kapital. An Kapital kommt der Investor nur dann, wenn die Verzinsung angemessen und risikogerecht ist und die Rendite stimmt. Die vom Bundesrat kürzlich vorgeschlagene Änderung der Berechnungsmethode des Kapitalzinssatzes WACC läuft dem zuwider, denn sie hat nur ein Ziel: den WACC zu senken. Das wäre Gift für die Investitionsfähigkeit und die Planungssicherheit. So droht das Kapital ins Ausland abzuwandern. Das kann sich die Schweiz nicht leisten. Die Änderung des WACC gehört daher abgelehnt.

Bleiben wir also kohärent, und kümmern uns nach dem Strom endlich auch um das Netz. Denn: ohne Netz kein Strom.

Bereichsleiter Public Affairs des VSE

Dominique Martin

Unter der Rubrik «Die politische Feder» veröffentlicht Dominique Martin regelmässig Kommentare und Einschätzungen zu energiepolitischen Themen. 

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