Nach dem Willen des Parlaments und des Bundesrats soll die Gültigkeit von Herkunftsnachweisen (HKN) auf dasjenige Quartal beschränkt werden, in welchem die Produktion tatsächlich angefallen ist. So soll der Nachweis über die Produktion gegenüber der Kundschaft (Stromkennzeichnung) näher an die realen Verhältnisse herangeführt werden. Was nach einem gelungenen Coup für die Wertsteigerung der Winterstromproduktion aussieht, entpuppt sich als Manöver, dessen hoher Aufwand in einem ungünstigen Verhältnis zum effektiv kleinen Nutzen steht: Die Preissteigerung der Herkunftsnachweise wird sich auf die Winterquartale beschränken und dürfte vermutlich zu einer sinkenden Nachfrage nach erneuerbaren Herkunftsnachweisen aus der Schweiz führen. Im Sommer hingegen werden Überschüsse anfallen, welche die HKN-Preise gegen Null sinken lassen. Der Anreiz für Investitionen in den Ausbau der erneuerbaren Energien wird somit gering ausfallen – Massnahmen für den effektiven Zubau von Winterproduktion (Bewilligungsfähigkeit, kürzere Verfahren, Förderbeiträge, verringerte Abgabelast, Zahlungsbereitschaft für erneuerbaren Strom) bleiben unumgänglich.
Die Umstellung von Systemen und die neu saisonale HKN-Beschaffung führen zu einem erhöhten administrativen Aufwand und zu Mehrkosten für die Kundschaft. Bei der Umsetzung der Saisonalisierung müssen daher pragmatische und praxisnahe Lösungen im Vordergrund stehen:
- Die Rahmenbedingungen müssen zeitnah geklärt werden, um den Betroffenen Planungssicherheit zu geben. Gleichzeitig braucht es Rechtssicherheit. Da in die Spielregeln eines etablierten Marktgefüges und bestehende Produkte (welche zumeist auf drei bis vier Jahre im Voraus geschlossenen Beschaffungsverträgen und teilweise politisch definierten Versorgungsstrategien beruhen) eingegriffen wird, ist eine angemessene Übergangsfrist notwendig (Umsetzung ab Lieferjahr 2026).
- Für die Ermittlung von Verbrauch und Produktion pro Quartal und Kunde bzw. Kundengruppe braucht es einen pragmatischen Ansatz. Die Hochrechnung von Quartalsverbrauchsdaten sollte nicht wie vom Bundesrat vorgeschlagen auf komplizierten individualisierten Schätzungen basieren. Es reicht, bis zum Abschluss des Smart-Meter-Rollouts (welcher für die Mehrzahl der Kunden nach Quartalen aufgeschlüsselte Daten verfügbar machen wird), eine Aufteilung des Verbrauchs nach Lieferanten- oder Produktemix vorzunehmen. Für die Errechnung der Einspeisung kann die in der Branche längst etablierte Methode mit Einspeiseprofilen herangezogen werden. Dies erlaubt im Gegensatz zur vom Bundesrat vorgesehenen gleichmässigen Verteilung eine repräsentative Aufteilung der Mengen auf die Quartale.
Mehr zu Herkunftsnachweis und Stromkennzeichnung
Mindestens einmal im Jahr müssen die Stromlieferanten ihre Kundinnen und Kunden darüber informieren, aus welchen Quellen der von ihnen konsumierte Strom stammt und ob besagter Strom in der Schweiz oder im Ausland produziert wurde. Um diesen Nachweis anzutreten, erwerben die Versorger Herkunftsnachweise (HKN), welche für jede produzierte Kilowattstunde ausgestellt werden. Die HKN sind vom physischen Stromfluss entkoppelt und werden separat als eigenständiges Zertifikat europaweit gehandelt.
Für die Schweiz gelten dabei in zweierlei Hinsicht spezielle Voraussetzungen: als einziges Land in Europa gilt eine vollständige Deklarationspflicht, während im Umland nur erneuerbarer Strom nachgewiesen werden muss; zudem werden Schweizer HKN mangels eines bilateralen Abkommens in der EU nicht mehr anerkannt.
Wie die aktuelle Lage deutlich vor Augen führt, können aussergewöhnliche Wetterbedingungen zu einer Unterversorgung mit erneuerbaren HKN führen. So herrscht derzeit aufgrund der Trockenheit im Sommer 2022 und der Massnahmen im Zusammenhang mit der Energiekrise (freiwillige und durch die Wasserkraftreserve initiierte Aufsparung von Produktion für die kritischen Monate Anfang 2023) selbst auf Jahresbasis ein markanter HKN-Mangel. Mit einer Saisonalisierung dürften Situationen zunehmen, in welchen die Versorger in den Winterquartalen ihrer gesetzlichen Kennzeichnungspflicht nicht nachkommen können und kurzfristige Änderungen an der Produktgestaltung (weniger erneuerbare Energien) oder Ausnahmen von der vollständigen Deklarationspflicht notwendig machen.