Wasserstoff – Kraftstoff der Zukunft?

Sind wasserstoffbetriebene Fahrzeuge die Lösung für einen CO2-armen Verkehr? Wenn es nach dem Förderverein H2 Mobilität geht, dann ja. Dieser will bis 2023 schweizweit flächendeckend Wasserstofftankstellen errichten.
06.12.2018
Für den Kunden keine Umstellung: Wasserstoff lässt sich ebenso schnell tanken wie Benzin.

Elektromobilität ist dauerpräsent  in den Medien. Allenthalben wird verkündet, dass sie in den kommenden Jahren den Durchbruch schaffen werde. Die Europakommission rechnet laut Kristian Ruby, Generalsekretär von Eurelectric, mit 40 Millionen immatrikulierten Elektrofahrzeugen bis 2030. Auch in der Schweiz dürften in naher Zukunft deutlich mehr Elektrofahrzeuge unterwegs sein. Nicht zuletzt wegen des CO2-Gesetzes, das ab 2020 eine Senkung des durchschnittlichen CO2-Ausstosses pro Fahrzeug von 130 auf 95g/km verlangt. Wird diese Vorgabe nicht erfüllt, drohen den Schweizer Autoimporteuren finanzielle Sanktionen, welche letztlich auf die Autokäuferinnen und -käufer abgewälzt würden.

Reines Gewissen dank Elektrofahrzeug?
Mit einem batteriebetriebenen Elektrofahrzeug muss sich ein Autokäufer keine Gedanken mehr um den Ausstoss von Treibhausgasen seines Vehikels machen – zumindest im Betrieb. Umweltfreundlicher unterwegs ist er damit – gesamtheitlich betrachtet – allerdings nicht zwingend, wie eine Studie des ADAC zeigt. Entscheidend ist dabei, mit welchem Strommix die Batterie dieser Fahrzeuge «gefüttert» wird. Wie hoch ist der Anteil Kohlestrom? Wie viel Strom stammt aus erneuerbaren Energien?

Elektrofahrzeuge, welche über eine Brennstoffzelle verfügen, sind im Betrieb ebenfalls emissionsfrei. Aber auch hier spielt der Strommix eine entscheidende Rolle. Gegenüber batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen punkten wasserstoffbetriebene mit Reichweiten, wie sie vergleichbare Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren aufweisen. Und auch das Betanken geht ähnlich schnell wie bei Verbrennern. Langfristig ermöglicht Wasserstoff als Energiespeicher ausserdem, einen Teil der saisonalen Angebotsdifferenzen zwischen Sommer- und Winterstromproduktion auszugleichen, und er ist ein wichtiger Baustein zur Sektorkopplung von Strom und Transport. Nachteile sind die (noch) hohen Produktionskosten und die massiven Umwandlungsverluste. Wird Wasserstoff mittels Elektrolyse hergestellt und anschlies­send im Fahrzeug wieder zu Strom umgewandelt, gehen rund zwei Drittel der Ursprungsenergie verloren. Ausserdem ist auch das Wasserstofftankstellen-Netz in der Schweiz quasi inexistent.

Vor allem für Lastwagen ist Wasserstoff eine interessante Alternative zu Benzin und Diesel. Im Prinzip reicht eine Tankstelle, um eine Flotte betreiben zu können.

Flächendeckend Wasserstofftankstellen in der Schweiz
Und genau diesem letzten Aspekt will der «Förderverein H2 Mobilität» Rechnung tragen. Sein Ziel ist der Aufbau einer flächendeckenden Wasserstofftankstellen-Infrastruktur in der Schweiz. Bisher gibt es erst zwei – mehr oder weniger öffentliche – Wasserstofftankstellen: Eine auf dem Gelände der Empa in Dübendorf sowie eine in Hunzenschwil. Das Augenmerk richtet sich zunächst auf wasserstoffbetriebene Lastwagen. Personenwagen sind noch kein Thema. Ist das bereits eine Kapitulation? Die Brennstoffzellen-Technik für Personenwagen wurde schliesslich schon mehrfach totgeschrie­ben.

«Nein, Lastwagen haben gegenüber Personenwagen schlicht den Vorteil, dass ihr Einsatz planbar ist», entgegnet Philipp Dietrich, CEO der H2 Energy AG, welche das Wasserstofftankstellen-Projekt als Dienstleister mit dem nötigen Know-how und der erforderlichen Manpower für den Förderverein umsetzt. «Lastwagen kommen immer wieder zum Verteilzentrum zurück. Im Prinzip reicht also eine einzige Wasserstofftankstelle, um eine ganze Flotte sternförmig betreiben zu können.» Und da ein Lastwagen etwa 50-mal mehr Energie als ein Personenwagen verbraucht, könne eine solche Tankstelle bereits mit zehn Lastwagen amortisiert werden. Das Argument der teuren Anschaffungskosten für wasserstoffbetriebene Lastwagen lässt Philipp Dietrich übrigens nicht gelten: «Da diese Fahrzeuge von der LSVA befreit sind, ist der Wechsel von Diesel auf Wasserstoff für einen Transporteur quasi ein Nullsummenspiel. Allerdings mit dem Unterschied, dass seine neue Flotte erneuerbar, viel leiser und ohne Emissionen fährt.»

Die Reichweite von Brennstoffzellenautos ist fast genauso hoch wie bei heutigen Autos mit Verbrennungsmotor.

Bald flächendeckendes Tankstellennetz?
Bis 2023 sollen in der Schweiz flächendeckend Wasserstofftankstellen eingerichtet werden. Das hört sich sehr ambitioniert an. Ausserdem stellt sich die Frage, ob der Bedarf nach diesen Tankstellen überhaupt besteht. «Wir schaffen den Bedarf selbst», sagt Jörg Ackermann. «Wir haben grosse Logistikflotten, dank denen Tankstellen profitabel betrieben werden können. Und wir haben Mineralölgesellschaften. Wir können uns also gegenseitig skalieren.» Gleichzeitig hat der Autobauer Hyundai – der gemeinsam mit Toyota als führend in der Entwicklung von Brennstoffzellen-Fahrzeugen gilt – in einem «Memorandum of Understanding» bekräftigt, bis 2023 1000 wasserstoffbetriebene Lastwagen in die Schweiz liefern zu wollen.

Primär werden die Wasserstoffzapfsäulen bei bestehenden Tankstellen gebaut, denn der Treibstoff wird dort gebraucht, wo der Verkehr ist. Weil es aber auch noch einen Produzenten in der Nähe braucht, um Wasserstoff aus erneuerbarer Energie herzustellen, eignet sich nicht jede bestehende Tankstelle gleichermassen; zum Teil sind aber auch bauliche Gründe ausschlaggebend.

Ob sich die Brennstoffzellen-Technologie tatsächlich auf breiter Ebene durchzusetzen vermag, oder ob sich nicht doch die etwas etabliertere und bekanntere Batterie-Lösung behaupten kann, wird die Zeit zeigen. Beide Technologien haben unbestreitbare Vorteile, sind im Betrieb emissionsarm und erfüllen die Anforderungen an sinkende CO2-Grenzwerte. Beide haben aber auch noch gewisse Hürden zu überwinden: Produktionskosten, Gesamtbilanz, Reichweite oder Ladedauer, um nur einige zu nennen. Diese Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen und wird beide Technologien vorantreiben. Sicher ist nur, dass die Mobilität in Zukunft elektrisch sein wird; möglicherweise mit einer Ko-Existenz von batterie- und wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen.