Hürden für schwimmende Solaranlage auf dem Brienzersee sind zu hoch

Die grossen Flächen der Schweizer Seen würden helfen, die Geschwindigkeit der Energiewende massiv zu beschleunigen. Die Anlagen wären sehr schnell und kostengünstig umsetzbar. Und am Ende ihrer Lebensdauer nach rund 30 Jahren könnten sie ebenso schnell und rückstandslos wieder zurückgebaut werden. Gemäss einer Machbarkeitsstudie der Industrielle Betriebe Interlaken AG (IBI), würden die Panels nur gerade 5 Prozent des Brienzersees bedecken und könnten so über 100 Gigawattstunden Strom produzieren. Ob dies auch rechtlich möglich ist und ob eine solche Anlage überhaupt bewilligungsfähig wäre, wurde nun vom Kanton Bern mit einem Rechtsgutachten geprüft.
30.04.2024

Das ist eine Medienmitteilung der IBI – die darin publizierten Inhalte geben nicht notwendigerweise die Meinung des VSE wieder.

 

Mit knapp 30 Quadratkilometern Fläche ist der Brienzersee der zweitgrösste See, der ganz im Kanton Bern liegt. Auf 5 Prozent der Brienzersee-Fläche könnte eine schwimmende Solaranlage jährlich fast 100 Gigawattstunden (GWh) Strom produzieren und so einen grossen Beitrag zur Klimaneutralität leisten. Die 100 GWh entsprechen ungefähr dem Jahresabsatz der IBI. So war es auch die Projektidee der IBI, welche im Rahmen eine Machbarkeitsstudie die Möglichkeit einer solchen Anlage prüfen wollte.

Die IBI ortet auf Schweizer Seen viel Raum für die Installation von Grossanlagen zur Produktion von Solarstrom. In der dicht besiedelten Schweiz ist Raum ein knappes Gut. Deshalb sieht sie ein grosses Potenzial auf den Flächen der natürlichen Seen. Das Projekt weckte auch das Interesse der Regionalkonferenz Oberland-Ost, der Uni Bern und der Wyss Academy, welche intensiv die Vision der «CO2-neutralen Tourismusregion Oberland-Ost» verfolgen. Sie unterstützen die Idee der Studie und organsierten eigens einen Fachaustausch mit allen zuständigen Amts- und Fachstellen des Kantons Bern, wie beispielsweise dem Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt, der Seepolizei, den Umweltfachstellen und dem Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli.

Bestechende Vorteile 

Die Vorteile auf dem See sind offensichtlich. Das Kraftwerk wäre modular aus schwimmenden Rondellen mit einem Durchmesser von jeweils 140 Metern aufgebaut. Jedes Rondell würde mit 3500 Solarmodulen bestückt sein und eine Leistung von 1,5 Megawatt peak (MWp) erbringen. Die drehbaren Rondelle würden mittels Windenantrieb dem Tagesverlauf der Sonne nachgeführt werden. Die Anlage könnte so rund 30 % mehr Energie erzeugen als eine vergleichbare statische Anlage. Der kühlende Effekt des Wassers steigert die Produktivität der Solarmodule zusätzlich. 

Die wirtschaftliche Minimalvariante liegt gemäss der Studie bei ungefähr zehn Rondellen. Für diese Ausbaustufe mit einer erwarteten Jahresproduktion von 19 GWh würden nur gerade 1 % der Fläche des Brienzersees benötigt. Die Anlage könnte aber problemlos auf 5 % Seefläche oder 100 GWh skaliert werden. Dank dem modularen Aufbau könnte die Anlage sehr schnell und kostengünstig gebaut und nach Erreichen der erwarteten Lebensdauer von rund 30 Jahren wieder zurückgebaut werden. Auf die Aquafauna und Aquaflora des Sees dürften die Anlagen praktisch keinen negativen Effekt haben, da sie weit vom Ufer entfernt platziert würden und der See ohnehin eine grosse Strömungsgeschwindigkeit aufweist. Die Probleme liegen vielmehr beim veränderten Landschaftsbild und bei der Akzeptanz in der Bevölkerung. 

Fünf Prozent der Seefläche entsprechen etwa 1,5 Quadratkilometern oder umgerechnet 1,5 Millionen Quadratmetern – eine enorme Fläche. 

Hätte ein solches Grossprojekt überhaupt Chancen, umgesetzt zu werden? Das wollte nicht nur die IBI, sondern auch Grossrat Beat Kohler wissen. Dieser gelangte im Jahr 2022 mit einer Motion an den Grossen Rat des Kantons Bern, welche als Postulat überwiesen wurde und den Regierungsrat beauftragte, die rechtlichen Fragen und damit die Machbarkeit zu prüfen. Gegenstand der juristischen Prüfung war die Frage, inwiefern eine Solaranlage auf Berner Seen aufgrund der gültigen beziehungsweise neuen Gesetzgebung auf nationaler Ebene rechtlich zulässig ist. 

Mit der juristischen Prüfung wurde das Büro Kellerhals Carrard in Bern beauftragt. Das nun vorliegende Rechtsgutachten zeigt, dass eine Realisierung gemäss der heutigen Gesetzgebung zwar nicht unmöglich, die Hürden aber sehr hoch sind. Kellerhals Carrard sieht keine klaren No-Gos aus den fraglichen Rechtsgebieten, welche die Anlagen verunmöglichen würden, solange diese nicht in Biotopen oder Vogelreservaten gebaut oder die Ufervegetation beeinträchtigen würden. Klar ist jedoch, dass für ein PV-Kraftwerk auf dem See vorgängig ein Richt- und Nutzungsplanungsverfahren durchzuführen ist. Die Ausscheidung einer Sondernutzungszone muss dabei den Anforderungen des Raumplanungsgesetzes genügen und die Frage nach der Standortgebundenheit beantworten. Ebenso grosse Herausforderungen gibt es beim Eingriff in das Landschaftsbild und der Beeinträchtigung anderer Nutzungen auf dem See, beispielsweise die Schifffahrt, die Fischerei oder auch die Freizeitnutzung. Die Projektinitianten müssten zudem belegen können, dass sie mit einer solchen Anlage einen signifikanten Beitrag zur Versorgungssicherheit der Schweiz liefern könnten. Ferner würde die Errichtung einer schwimmenden und auf dem Seegrund verankerten Solaranlage eine Sondernutzung des betreffenden Gewässers darstellen, die konzessionierungspflichtig ist. Hier sollte der Kanton bei der gesetzlichen Grundlage Klarheit schaffen.

Privatwirtschaftliche Interessen wie die vorliegende Projektidee reichen wohl kaum, um diese Hürden zu überwinden. Erfolgschancen sind somit faktisch nur über den politischen Weg möglich, so wie dies auch beim dringlichen Bundesbeschluss für die Alpinen Solaranlagen (Solarexpress) nach Art. 71a EnG geschah. Dort sind die Anlagen von nationalem Interesse und gehen anderen lokalen, regionalen und nationalen Interessen vor. Will man die Hürden für die Errichtung schwimmender Solaranlagen auf natürlichen Seen herabsetzen, bedürfte das einer Anpassung im Bundesrecht, insbesondere im Raumplanungsgesetz. Im Entwurf zur Revision des regionalen Teilrichtplans Energie ist eine schwimmende PV-Anlage auf dem Brienzersee als mögliches Vorhaben erfasst. 

Wird die IBI das Projekt weiterverfolgen? 

Die IBI wird das Projekt aufgrund der Erkenntnisse aus dem Gutachten nicht weiterverfolgen. Die unternehmerischen Risiken und die fehlende Planungssicherheit sind derzeit noch zu grosse Hürden. Sollten sich die Rahmenbedingungen verändern, ist die Wiederaufnahme des Projekts jedoch nicht ausgeschlossen. (ibi)