KWO reicht erneut Konzessionsgesuch für einen grösseren Energiespeicher an der Grimsel ein

Die Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) hat heute in Bern Regierungsrat Christoph Neuhaus, dem Vorsteher der Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern, das Konzessionsgesuch für die Vergrösserung des Grimselsees übergeben. Es ist nach 2010 die zweite Eingabe des Gesuches. Mit der Erhöhung der beiden Staumauern Seeuferegg und Spitallamm um 23 Meter lässt sich das Fassungsvermögen des seit beinahe 100 Jahren bestehenden Grimselsees im östlichen Berner Oberland von heute 94 Millionen Kubikmeter auf 170 Millionen Kubikmeter steigern. Der Energieinhalt steigt von 270 auf 510 Gigawattstunden. Derzeit kann die KWO knapp die Hälfte des Wassers, das jährlich in den Grimselsee fliesst, speichern. Das Projekt Vergrösserung Grimselsee gehört zu den Wasserkraftprojekten, welche gemäss dem Runden Tisch Wasserkraft und dem Stromgesetz, über welches die Stimmbevölkerung am 9. Juni 2024 abstimmen wird, in erster Priorität realisiert werden sollen. Ziel des Bundes ist, bis ins Jahr 2040 zwei Terrawattstunden mehr Winterspeicher mit Wasserkraft zu schaffen.
27.05.2024

Das ist eine Medienmitteilung der  KWO – die darin publizierten Inhalte geben nicht notwendigerweise die Meinung des VSE wieder.

 

Mit dem vorliegenden Konzessionsgesuch vom Mai 2024 beantragt die Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) die Anpassung und Ergänzung ihrer Gesamtkonzession zur Nutzbarmachung der Wasserkräfte im Oberhasli vom 12. Januar 1962, welche für die geplante Vergrösserung des Grimselsees nötig ist. Das umfangreiche Dossier wurde vom CEO der KWO, Daniel Fischlin, und der ehemaligen Berner Regierungsrätin und Verwaltungsratspräsidentin der KWO, Barbara Egger-Jenzer, heute in Bern an Regierungsrat Christoph Neuhaus übergeben. Zuständig für den Entscheid über die beantragte Konzessionsanpassung und -ergänzung ist der Grosse Rat des Kantons Bern. Leitbehörde des vorgängig zu durchlaufenden Verfahrens ist das kantonale Amt für Wasser und Abfall (AWA). Daniel Fischlin zeigte sich erfreut, dass das aktualisierte Konzessionsgesuch nun erneut dem Kanton übergeben wurde: «Es ist essenziell, beim Ausbau der Energiespeicher nun vorwärtszumachen.» Die KWO betreibt eine der komplexesten Wasserkraftanlagen im Alpenraum. «Es ist absolut sinnvoll, dieses System weiter auszubauen. Wir brauchen diesen Strom und auch die Flexibilität unserer Anlagen für eine sichere Stromversorgung in der Schweiz», so Fischlin weiter.   

Speicher dort bauen, wo das Wasser anfällt

Seit 1932 stellt der Grimselsee den grössten Wasserspeicher der KWO dar. Jährlich fliessen rund 210 Mio. m3 in den Grimselsee, gespeichert werden können im See gegenwärtig 94 Mio. m3. Das Wasser für den Betrieb der Kraftwerke der KWO fällt zu 90 % in den Sommermonaten an, zu einem Zeitpunkt also, während dem aufgrund des Ausbaus der neuen erneuerbaren Energien aus Sonne und Wind bereits viel, teilweise sogar überschüssige Energie im Übertragungsnetz vorhanden ist. Statt das anfallende Wasser im Sommer als sogenanntes Laufwasser abzuarbeiten, ist es versorgungstechnisch sinnvoll, den grösseren Teil davon in die Wintermonate umzulagern und dann zu verwenden, wenn die Schweiz zur Deckung ihres Strombedarfs jeweils auf Nettoimporte aus dem Ausland angewiesen ist. Weiter leistet das Projekt Vergrösserung Grimselsee einen wesentlichen Beitrag, um vermehrt Netzausgleichs- und -stützungsmassnahmen sowie Systemdienstleistungen (Leistungsvorhaltung für die Primär-, Sekundär- und Tertiärregelung) zu übernehmen. Dank des phasenweise erhöhten Staupegels im Grimselsee resultiert aus der Erhöhung der beiden Mauern Seeuferegg und Spitallamm zudem eine leichte Energiemehrproduktion. Allein mit der zusätzlichen Speicherkapazität von rund 240 GWh deckt die KWO 12 % des vom Bund angestrebten Zieles von 2 TWh zusätzlichem Winterspeicher bis 2040 ab. Gleichzeitig ist es auch kantonal gesehen ein wichtiges Projekt, um die energiewirtschaftlichen Ziele zu erreichen. Mit dem Trift-Projekt (+ 215 GWh) und der Erhöhung der Staumauer am Oberaarsee (+65 GWh) fungieren zwei weitere Projekte der KWO auf der Liste des Runden Tisch Wasserkraft. Die Stromproduzentin KWO kann damit einen substanziellen Beitrag für mehr steuerbare Winterproduktion in der Schweiz leisten.

Neue Mauer wird erhöht, neue Strassen werden gebaut

Die natürlichen Gegebenheiten für die Schaffung von zusätzlichem Speichervolumen sind an der Grimsel optimal: langes flaches Tal mit enger Sperrstelle, günstige Felsverhältnisse mit bekannter Geologie. Damit der Grimselsee mehr Wasser fassen kann als bisher, sind verschiedene bauliche Anpassungen nötig. Das Stauziel des Sees, also der maximale Wasserspiegel soll um 23 Meter erhöht werden, hierfür sind bauliche Anpassungen an den beiden Talsperren Seeuferegg und Spitallamm nötig. Die Spitallammmauer, eine Bogenstaumauer, war bei der Fertigstellung 1932 mit 114 m eine der höchsten Staumauern weltweit. Seit 2019 ersetzt die KWO diese Mauer, da sie seit längerem sanierungsbedürftig ist. Die Hauptbauarbeiten am Grossprojekt «Ersatz Staumauer Spitallamm» werden 2025 abgeschlossen sein. Die Ersatzstaumauer ist mit 113 m praktisch gleich hoch wie die alte, sie ist jedoch so berechnet und konzipiert, dass sie um weitere 23 m erhöht werden kann. Die alte, bestehende Mauer wird eingestaut. Die Seeufereggsperre ist eine Gewichtsstaumauer und muss, obwohl sie gleichzeitig gebaut wurde, wie die Spitallammstaumauer, bloss erhöht und nicht nennenswert saniert werden. Neu an der zweiten Eingabe des Konzessionsgesuchs ist vor allem der Umstand, dass künftig die neue und nicht mehr die bestehende Spitallammmauer erhöht werden wird, was neue Berechnungen und andere bauliche Anpassungen zur Folge hat. Bedingt durch den Höherstau des Grimselsees muss auch die Grimselpassstrasse, eine Kantonsstrasse, auf einer Länge von rund 700 m verlegt werden.
Die Investitionskosten für das Projekt betragen insgesamt rund CHF 235 Mio. (Projektstand 2019).

KWO pflegt den «Grimsel-Dialog» mit den Umweltschutzverbänden

Die KWO hat Erfahrung in partizipativen Prozessen beim Ausarbeiten neuer Konzessionsgesuche. Einen solchen Prozess hat sie beispielsweise bereits beim Trift-Projekt durchgeführt. Auch für das aktualisierte Konzessionsgesuch für die Vergrösserung des Grimselsees hat die KWO sich in einem Begleitgruppen-Prozess seit Mai 2023 eng mit verschiedenen Akteuren ausgetauscht. Im sogenannten «Grimsel-Dialog», an dem sich die Umweltschutzverbände WWF, Pro Natura und Aqua Viva, der Schweizer Alpen-Club SAC, die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL-FP), der Schweizerische Fischereiverband (SFV), der Bernisch Kantonale Fischerei-Verband (BKFV), die lokalen Fischer (Pachtvereinigung Oberhasli), die betroffenen Gemeinden (Innertkirchen und Guttannen) sowie kantonale Behördenvertreter, wie das Amt für Wasser und Abfall (AWA) und das Amt für Landwirtschaft und Natur (LANAT), beteiligten, wurde insbesondere über die einzuhaltenden Mindestrestwassermengen sowie die zur Kompensation der Auswirkungen des Projekts auf die Natur und die Landschaft umzusetzenden Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen verhandelt. Die Akteure arbeiten derzeit an einer gemeinsamen Vereinbarung für das künftige Restwasserregime sowie die gesetzlich vorgeschriebenen Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen. Überdies hat sich die KWO dazu bekannt, über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende zusätzliche Ausgleichsmassnahmen umzusetzen, wie die gemeinsame Erklärung des Runden Tisches Wasserkraft dies vorsieht. Die Verhandlungen über die konkreten Gegenstände dieser zusätzlichen Ausgleichsmassnahmen werden parallel zum laufenden Konzessionsverfahren weitergeführt werden.

Aufwändige, neue Analysen zu Umwelt und Ökologie im Gesuch berücksichtigt

Nach dem Aufstau im Jahr 1932 reicht die Zunge des Unteraargletschers bis in den Grimselsee. Bis ins Jahr 2021 hat sich die Gletscherzunge um rund 2.5 km zurückgezogen und eine Schwemmebene freigelegt. Gemäss einer Studie werden sich die Gletschervorfeldflächen in der Schweiz künftig insgesamt pro Jahr um 9 – 10 km2 vergrössern. Alle drei Ausbauprojekte der KWO würden eine Gletschervorfeldfläche von insgesamt 1 km2 beanspruchen. Das bedeutet, dass sich diese Gletschervorfeldfläche mit dem Abschmelzen der Gletscher innerhalb eines Monats in der Schweiz wieder neu bilden wird. Weiter hat die Studie auch ergeben, dass derzeit rund 97 Prozent der Gletschervorfeldflächen in der Schweiz ungenutzt sind. Durch die Wasserkraft in der Schweiz werden davon insgesamt rund 3.8 km2 Fläche beansprucht, das ist weniger als 1 Prozent der gesamten Gletschervorfeldflächen.
Auch im Grimselgebiet haben sich seit der Eingabe des Konzessionsgesuchs 2010 Landschaft und Vegetation aufgrund des Klimawandels im hochalpinen Raum verändert. Deshalb waren neue, umfassende Abklärungen und Analysen bezüglich Umwelt und Ökologie unter anderem in der zukünftigen Einstaufläche rund um den Grimselsee und im Einstaubereich des Gletschervorfelds Unteraargletscher nötig. Die KWO untersuchte gemeinsam mit externen Fachspezialist:innen auf einem Perimeter von über 100 Hektaren die Lebensräume und 20 Artengruppen, wie beispielsweise Flechten und Pilze sowie verschiedene Insekten- und Pflanzengruppen, um möglichst viele Daten über deren Ist-Zustand zu erhalten. Im vorliegenden Konzessionsgesuch wurden gegenüber dem ersten Gesuch von 2010 mehr und umfassendere Untersuchungen vorgenommen, um die Auswirkungen einer Aufstauung möglichst genau und umweltgerecht zu beurteilen. Der ökologische Wert der Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen ist nun deutlich höher als bei der ersten Eingabe des Konzessionsgesuchs 2010. Die Erkenntnisse sind nun in umfassenden Berichten in den Dossiers 2 (Umweltverträglichkeitsbericht) und 3 (Restwasserbericht mit Schutz- und Nutzungsplanung) des Konzessionsgesuchs beschrieben und bildeten die Basis für die Festlegung der Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen. Diese eingereichten Dossiers inklusive der kritischen materiellen Prüfung durch die Naturschutzorganisationen zeigen auf, dass das Projekt Vergrösserung Grimselsee umweltverträglich umgesetzt und die Anlagen über Jahrzehnte nachhaltig betrieben werden können. Der mit dem Projekt verbundene Eingriff in das BLN-Objekt Nr. 1507 / 1706 Berner Hochalpen und Aletsch-Bietschhorngebiet (nördlicher Teil) wird durch das ausgeprägte energiewirtschaftliche Interesse von nationaler Bedeutung an der Realisierung des Projekts legitimiert.

Mehr Planungssicherheit für Ausbauvorhaben

Die Stauanlage Grimselsee mit Kraftwerken und Staumauern wurde von 1925 –1932 erstellt. Der Grimselsee und das angrenzende Gebirge sind seit 1958 «Kantonales Naturschutzgebiet Grimsel», seit 1983 zählt es zum «Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung» (BLN) und seit 2007 gehören Teile des Gebietes zum «UNESCO-Weltnaturerbe Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch». Immer wieder standen die Fragen von Schutz oder Nutzung der Landschaft an der Grimsel im Fokus, wenn es um Ausbauprojekte ging. Die unklare Ausgangslage zog jahrelange Gerichtsverfahren, Planungsunsicherheit und hohe Kosten mit sich. Die Gemeinsame Erklärung des Runden Tisch Wasserkraft vom 13. Dezember 2021 hatte unter anderem zum Ziel, künftig derartige Szenarien zu verhindern, indem bei der Projektierung von Ausbauvorhaben mehr Planungssicherheit geschaffen und klar unterschieden wird, welche Gebiete geschützt und welche genutzt werden sollen. Dieses Prinzip ist nun auch im Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, dem Stromgesetz, enthalten, in welchem die vom Runden Tisch Wasserkraft zur Umsetzung empfohlenen 15 (mit dem Projekt Chlus mittlerweile 16) Ausbauvorhaben integriert sind und über das die Schweizer Stimmbevölkerung am 9. Juni 2024 abstimmen wird. Zudem verabschiedete das eidgenössische Parlament im September 2022 im Rahmen des «Gesetz über dringliche Massnahmen zur kurzfristigen Bereitstellung einer sicheren Stromversorgung im Winter» einen sogenannten «Grimsel-Paragrafen» (Art. 71b EnG). Das Ziel war, die Erhöhung der Grimselstaumauern zu beschleunigen.

Ein wesentlicher Vorteil des Projekts Vergrösserung Grimselsee ist der bereits bestehende Speichersee, der durch seine Erweiterung nur einen sehr kleinen zusätzlichen Landverbrauch pro zusätzliche GWh im Vergleich zu anderen nationalen Projekten benötigt. Zudem hat der bernische Regierungsrat in seinem Erläuterungsbericht für die Überarbeitung des kantonalen Richtplanes betont, es handle sich bei der Vergrösserung des Grimselsees um eine wichtige Massnahme mit Schlüsselcharakter für den Umbau des Energiesystems in der Schweiz. Weiter hält der Regierungsrat fest, dass die Interessensabwägung zeige, dass das nationale Interesse an der Realisierung der Projekte Trift und Grimselsee die ungeschmälerte Erhaltung der betroffenen Schutzgebiete und Landschaftswerte überwiege. (grimselstrom)