Konsequenter Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion

Für die Energiekommission des Nationalrates hat die Steigerung der erneuerbaren Stromproduktion höchste Priorität. Sie befürwortet Eignungsgebiete für Solar- und Windenergie und eine umfassende Solarpflicht für Gebäude und Parkplätze. Ausserdem sollen die Restwassermengen von Wasserkraftwerken gesenkt werden, wenn dies zur Abwendung einer Strommangellage notwendig ist.
20.06.2023

Das ist eine Medienmitteilung de UREK-N  – die darin publizierten Inhalte geben nicht notwendigerweise die Meinung des VSE wieder

 

Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK-N) hat sich mit den verbleibenden Differenzen zum Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (21.047) befasst. Mit 14 zu 10 Stimmen hält sie am Beschluss des Nationalrates zu einer Solarpflicht fest: Diese soll für alle Neubauten sowie für erhebliche Umbauten und Erneuerungen gelten, insbesondere bei Sanierung des Dachs. Die Kommissionsmehrheit sieht in den Gebäudeflächen ein grosses Potential für die Solarenergie, das ohne Eingriffe in Landschaft und Biodiversität genutzt werden kann. Eine Minderheit lehnt jegliche Verpflichtung ab, da sie zu stark ins Grundeigentum eingreife und die Solarenergie im Winter nur wenig Strom liefere. Eine andere Minderheit befürwortet eine Solarpflicht für Gebäude ab einer Fläche von 300 m2, wie vom Ständerat beschlossen. Zudem beantragt die Kommission mit 15 zu 10 Stimmen eine Verpflichtung, ab 2030 neue dauerhafte Fahrzeugabstellplätze ab einer Fläche von 500 m2 und bestehende Fahrzeugabstellplätze ab einer Fläche von 1000 m2 mit Solarelementen zu überdachen. Eine Minderheit lehnt diese Vorschrift ab.

Lockerung der Restwasservorschriften nur bei einer Strommangellage

Die Kommission beantragt mit 16 zu 9 Stimmen, dass es möglich sein soll, die Restwasservorschriften für bestehende Wasserkraftwerke unter gewissen Bedingungen zu lockern. Wenn eine Mangellage droht, soll der Bundesrat die Restwassermengen auf ein Minimum (gemäss Art. 31 Abs. 1 Gewässerschutzgesetz) reduzieren können. Bereits im vergangenen Herbst hatte der Bundesrat eine solche Lockerung auf dem Verordnungsweg vorgenommen. Eine Minderheit möchte diese Massnahme nicht nur bei Mangellagen erlauben, sondern auch, wenn dies zum Erreichen der Produktionsziele des Energiegesetzes (Art. 2 Abs. 2) nötig ist. Weiter unterstützt die Kommission mit 13 zu 11 Stimmen bei einer Enthaltung das Wasserkraftprojekt «Chlus». Für dieses sollen die gleichen Erleichterungen gelten wie für die 15 ausgewählten Projekte der Speicherwasserkraft. Die Kommissionsmehrheit verweist auf die bedeutende zusätzliche Stromproduktion dieses Projektes in Verbindung mit dessen ökologischen Mehrwert. Eine Minderheit der Kommission sieht in dieser Ergänzung eine Gefährdung des bestehenden Kompromisses zum Thema Wasserkraft und lehnt die Privilegierung dieses Einzelprojektes ab.

Zustimmung zu Gebieten mit Vorrang für Wind und Solarenergie

Die Kommission unterstützt den Ständerat mit 16 Stimmen ohne Gegenstimme bei 9 Enthaltungen bei der Frage der Eignungsgebieten für Wind- und Solarenergie. In gewissen Gebieten, die die Kantone nach einer umfassenden Interessenabwägung im Richtplan festlegen, sollen die Solar- und Windenergie Priorität gegenüber anderen Interessen haben. Wie schon der Ständerat beantragt die Kommission, dass neue Wasserkraftanlagen nicht absolut ausgeschlossen sein sollen, wenn die entstehende Restwasserstrecke durch ein Schutzgebiet von nationaler Bedeutung verlaufen würde. Aufgrund des grossen Produktionspotentials soll in solchen Fällen das Projekt nicht von Anfang an ausgeschlossen sein, sondern zumindest eine Abwägung zwischen Schutz- und Nutzungsinteressen vorgenommen werden. Eine Minderheit möchte diese Bestimmung ergänzen: Die Anlagen sollen das Schutzziel des betroffenen Gebietes nicht wesentlich beeinträchtigen dürfen (12 zu 13 Stimmen). Eine weitere Minderheit beantragt, dass der absolute Biotopschutz auch für Restwasserstrecken uneingeschränkt gelten soll, wie dies der Nationalrat beschlossen hatte (9 zu 15 Stimmen bei 1 Enthaltung).

Die Kommission wird ihre Beratung des Geschäftes an einer nächsten Sitzung fortsetzen, so dass die Vorlage in der Herbstsession von den Räten abschliessend beraten werden kann.

Im Rahmen ihrer Beratungen hat die Kommission einstimmig ein Postulat mit dem Titel «Künstliche Intelligenz und Versorgungssicherheit: Analyse der rechtlichen Grundlagen im Energiebereich» eingereicht (23.3957). Der Bundesrat soll prüfen, wie im Energiebereich die Vorteile von KI genützt und die Risiken beschränkt werden können.

Marktkräfte für den Klimaschutz nutzen 

Mit 12 zu 8 Stimmen bei 5 Enthaltungen gibt die Kommission der parlamentarischen Initiative 22.451 Folge. Die Initiative von Nationalrat Gerhard Pfister verlangt eine konsequente Umsetzung des Verursacherprinzips in der Klimapolitik: Alle Treibhausgasemissionen sollen mit einer Lenkungsabgabe belegt werden. Im Grundsatz hält es die Kommission für angemessen, den Verbrauch von Treibhausgasemissionen möglichst verursachergerecht zu bepreisen, denn klimaschonendes Verhalten sollte sich auszahlen. Sie sieht im marktwirtschaftlich orientierten Ansatz einen möglichen Weg, den zukünftigen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu begegnen. Insbesondere begrüsst es die Kommission, dass der Ansatz der parlamentarischen Initiative keine Verbote beinhaltet. Ein Teil der Kommission lehnt die parlamentarische Initiative ab, weil sie das aktuelle System im Bereich Klimaschutz bevorzugt.

Mit ihrer Unterstützung bringt die Kommission zum Ausdruck, dass sie im Kern die Anliegen der parlamentarischen Initiative anerkennt. Allerdings ist sie sich bewusst, dass das einfache klingende Konzept einer allgemeinen Abgabe in der Umsetzung sehr komplex wäre. Es stellen sich zahlreiche Fragen, etwa zum internationalen Umfeld und der Sozialverträglichkeit. Vorausgesetzt, dass ihre ständerätliche Schwesterkommission die parlamentarische Initiative ebenfalls im Grundsatz bejaht, wird die Kommission konkrete Ausgestaltungsmöglichkeiten in einer mittel- bis langfristigen Optik sorgfältig prüfen. Die Kommission betont, dass ihr Entscheid keinen direkten Zusammenhang mit der Abstimmung von letzten Sonntag zum «Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (indirekter Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative)» hat. Es geht ihr nicht darum, den bewährten Instrumentenmix abrupt umzustossen, sondern eine vertiefte Diskussion zur Wirksamkeit und Akzeptanz klimapolitischer Massnahmen zu führen.

Risikobasierter Umgang mit Naturgefahren 

Einstimmig ist die Kommission auf die Vorlage zur Änderung des Wasserbaugesetzes (23.030) eingetreten. Die Revision soll den ganzheitlichen Umgang mit den Naturgefahren Hochwasser, Rutschungen, Steinschläge und Lawinen stärken. Im Sinne eines integralen Risikomanagements sollen die Kantone mit Unterstützung des Bundes raumplanerische, technische und biologische Schutzmassnahmen optimal miteinander kombinieren und effizient einsetzen. Ziel ist es, einen guten Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten, auch wenn die Risiken aufgrund der Siedlungsentwicklung und des Klimawandels ansteigen.

Schliesslich hat die Kommission mit 16 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung entschieden, der parlamentarischen Initiative 21.487 «Erneuerbare Energien und wirtschaftliche Entwicklung höher gewichten als Behördeninventare ohne demokratische Legitimation» keine Folge zu geben. Sie ist überzeugt, das angewendete Verfahren und die nötigen Instrumente hätten sich bewährt und sicherten auch den erforderlichen Einbezug der Betroffenen.

Die Kommission hat am 19. und 20. Juni 2023 unter dem Vorsitz von Nationalrat Jacques Bourgeois (FDP/FR) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Albert Rösti in Bern getagt. (parlament)